MARKUS EBNER
“Günther Förg”
September 6 – November 9, 2019
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Review
Christoph Schütte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, November 5, 2019, p. 35 >
Markus Ebner
“Günther Förg”
Text: Florian Ebner, CP, Paris
Die neue Arbeit von Markus Ebner führt kurz und lakonisch den Namen des Künstlers Günther Förg im Titel. Gegenstand dieser Reihe von bisher fünf Fotografien ist ein Halbrelief, das ein zentrales Element von Förgs Grabstätte in Freiburg bildet. Als der Künstler am 5. Dezember 2013 starb, verwendete die Familie des Künstlers eine Zeichnung, die Förg in einem Skizzenbuch unmittelbar vor seinem Tod hinterließ, als Ausgangspunkt für den Guss dieser Skulptur.[1]
In unterschiedlichen Kameraeinstellungen nähert sich Markus Ebner der monochromen Platte aus hellgrauem Blei, umrankt und teilweise überwuchert von grünem Efeu, als wäre er auf der Suche nach der einen gültigen Perspektive. Strukturiert ist diese Platte zusätzlich von kieselsteingroßen, beulenartigen Auswölbungen. Der strenge Bildausschnitt, der konzentrierte und insistierende Blick auf die Bleiplatte, die leichten Variationen der Aufnahmen und ihr serielles Spiel, nicht zuletzt die matten Farbabzüge, deren Format 99 x 66 cm in etwa der Originalgröße der Bleiplatte entspricht, all diese präzisen künstlerischen Setzungen transzendieren das Anekdotische eines Ortsbesuch und verwandeln die fotografische Reproduktionen des Halbreliefs in abstrakte Bilder.
Ebners Serie ist in gewisser Weise Günther Förgs letzter «Repräsentation» gewidmet, sie ist zugleich als Akt und Geste wie auch als bildnerisch-plastische Reflexion zu verstehen, als eine Auseinandersetzung mit dem Vermächtnis eines der einflussreichsten deutschen Künstler seiner Generation, der sich in seinem Werk, wie kaum ein anderer, das große konstruktivistische Erbe der Moderne zu eigen gemacht hat. Ob es sich um die großformatigen Fotografien modernistischer Architekturen in Deutschland und Italien, der Sowjetunion und Israels handelt, um die flächigen monochromen Malereien des Frühwerks oder um die zwei- oder mehrteiligen «Streifenbilder», stets erscheinen seine Arbeiten als ebenso spielerisch-lässige und beiläufige wie auch formal beherrschte Aneignung des Formenkanons der großen Avantgarden des 20. Jahrhunderts. Sie weisen sein Werk als einen Akt der Appropriation aber auch der Weiterführung der Moderne aus.
Wendet man den Blick zurück auf Ebners fotografische Bildreihe, mag man die Frage nach dem Grund für das serielle Moment und den insistierenden Blick der Serie stellen. Als ob das Immer-wieder-Fotografien erraten ließe, was das Vorbild gewesen sein könnte für die Ausformungen auf der Oberfläche der Platte, die zum einen an Kieselsteine erinnern, aber auch an ausgewaschene hebräische Schriftzeichen jüdischer Grabsteine oder gar an eine rätselhafte Braille-Schrift; doch ihre organische und ungeordnete Setzung scheint ohnehin keine Lesart zu erlauben. Und selbst wenn sie eine Ordnung oder Logik hätten, so wäre es der Fotografie unmöglich, das plastische Halbrelief in die zweidimensionale Fläche der Fotografie zu überführen – eine Flächigkeit, die Förg selbst so intensiv mit der immer wiederkehrenden Darstellung der modernistischen Architektur zu strukturieren versuchte, und welcher in Förgs nachlässigem, zum Teil unscharfem Aufnahmestil und in der Verwendung körnigen Filmmaterials immer auch eine Form des Scheiterns innezuwohnen schien.
Erst auf diesem zweiten Blick wird der Betrachterin und dem Betrachter bewusst, dass Ebners Aufnahmen an unterschiedlichen Tagen entstanden sind und ein wenig Zeit zwischen ihnen vergangen sein muss, dass der Efeu gewachsen ist, dass die Strenge des Nebeneinanders von monochromer grauer Fläche und grünem Streifen einem organischeren Ensemble gewichen ist, dass letztlich der Anschein oder der Ausdruck der Platte selbst von Tag zu Tag immer nur ein stets changierender und anderer sein kann, dass Förgs letzte Repräsentation somit ganz der Zeit überantwortet ist.
Nicht zuletzt bedeutet die neue Arbeit von Markus Ebner eine Weiterführung seiner fotografischen Werkreihe der «Grabbilder», die er 1999 unter anderem der Ruhestätte von Marcel Duchamp gewidmet hat, also desjenigen Künstlers, der die Malerei für tot erklärt und die Kunst des 20. Jahrhunderts revolutioniert hat. Doch auch die großen radikalen Gesten der Kunst haben ihre Endlichkeit und ihre Historizität.
Auch in seiner Malerei – etwa den Aneignungen der Gemälde seines Lehrers Günther Fruhtrunk – unternimmt Ebner eine durchaus ähnlich Form der Wiederholung: Jenseits der simplen Hommage versteht er seine Arbeit der präzisen Kopie der Fruhtrunkschen Gemälde als ein Form der radikalen Aneignung, oder besser der Auseinandersetzung mit ihnen: durch die konzentrierte Dekonstruktion (und Rekonstruktion) ihrer bildnerischen Genese und Form setzt er alles daran, den Geist und die Qualität dieser Kunst in der Fläche der neuen, nun mehr seiner Bilder wieder aufscheinen zu lassen.
Ohne dies im eigentlichen Sinne religiös zu verstehen, so haben Ebners Malerei und seine fotografischen Arbeiten doch immer auch mit Ende und Fortleben zu tun.
[1]Vgl. Blau, Ein Kunstmagazin Nr. 4, Sept. 2015, S. 43
Markus Ebner
“Günther Förg”
Text: Florian Ebner, CP, Paris
Markus Ebner’s new work briefly and laconically bears the name of the artist Günther Förg in the title. The subject of this series of five photographs so far is a half relief, which shows a central element of Förg’s grave in Freiburg. When the artist died on December 5, 2013, the artist’s family used a drawing that Förg left in a sketchbook just prior to his decease as the origin for the casting of this sculpture.[1]
In various camera settings Markus Ebner approaches the monochrome plate of light grey lead, entwined and partly overgrown with green ivy, as if he were searching for the one valid perspective. The plate is additionally structured by pebble-sized, bulge-like bulges. The strict image detail, the concentrated and insistent view of the lead plate, the slight variations of the photographs and their serial play, not least the matt color prints, whose format of 99 x 66 cm approximately corresponds to the original size of the lead plate, all these precise artistic settings transcend the anecdotic of a visit to the site and transform the photographic reproductions of the half relief into abstract images.
In a way, Ebner’s series is dedicated to Günther Förg’s last “representation”; it is to be understood both as an act and a gesture, as well as a pictorial-sculptural reflection, an involvement with the legacy of one of the most influential German artists of his generation, who in his work, like hardly anyone else, has appropriated the great Constructivist legacy of Modernism. Whether it is the large-format photographs of modernist architecture in Germany and Italy, the Soviet Union and Israel, the flat monochrome paintings of his early works, or the two-part or multi-part “Stripes”, his works always appear as playful and casual as well as formally dominated appropriations of the canon of forms of the great avant-gardes of the 20th century. They identify his work as an act of appropriation, but also as a continuation of modernism.
Turning back to Ebner’s photographic series, one might ask the question of the reason for the serial moment and the insistent view of the series. As if the repetition of photographs would allow one to guess what the model could have been for the shapes on the surface of the slab, which on the one hand remind one of pebbles, but also of washed-out Hebrew characters of Jewish gravestones or even of a mysterious Braille writing; but their organic and disorderly setting does not seem to permit any reading anyway. Even if they had an order or logic, it would be impossible for photography to transfer the three-dimensional half relief into the two-dimensional surface of the photograph – a flatness that Förg himself tried to structure so intensively with the recurring depiction of modernist architecture, and which always seemed to have a form of failure in Förg’s negligent, partly blurred shooting style and in the use of grainy film material.
Only at second glance does the viewer become aware that Ebner’s photographs were taken on different days and that a little time must have passed between them, that the ivy has grown, that the strictness of the juxtaposition of monochrome grey surface and green stripe has given way to a more organic ensemble, that ultimately the appearance or expression of the plate itself can only ever be an ever-changing and different one from day to the next, that Förg’s last representation is thus entirely left to time.
Last but not least, Markus Ebner’s new work is a continuation of his photographic series of “Grave pictures”, which he dedicated in 1999 to the resting place of Marcel Duchamp, the artist who declared painting dead and revolutionized the art of the 20th century. But even the great radical gestures of art have their finiteness and historicity.
In his painting – such as the appropriations of the paintings of his teacher Günther Fruhtrunk – Ebner also undertakes a similar form of repetition: beyond the simple homage, he understands his work of the precise copy of Fruhtrunk’s paintings as a form of radical appropriation, or rather of dealing with them: through the concentrated deconstruction (and reconstruction) of their pictorial genesis and form, he does everything to let the spirit and quality of this art re-appear in the surface of the new, now henceforth his paintings.
Without understanding these as religious in a proper sense, Ebner’s paintings and photographic works always deal with the end and survival.
[1] Blau, Ein Kunstmagazin Nr. 4, Sept. 2015, p. 43