Wenn Künstler über Jahrhunderte hinweg Werke ihrer berühmten Vorgänger kopierten, so geschah dies, um durch das Nachgestalten dem Vorbild nahe zu kommen. Oder auch, um die bewährte Komposition oder Bildfigur mit der eigenen „Maniera“, dem eigenen Stil, auszustatten. In der Postmoderne stand das Kopieren plötzlich unter völlig anderen Vorzeichen. Die „Appropriation“ einer Arbeit oder eine Stils kam nicht selten dem Angriff auf das Original gleich, der Blick verschob sich nun, weg von der Meisterschaft eines berühmten Bildes hin zur Kritik an dessen Instrumentalisierung und Vermarktung oder an einer Genie-fixierten Kunstgeschichtsschreibung.
Die Ausstellung „Alte Meister“ stellt drei unterschiedliche Praktiken der Aneignung vor – jenseits alter ideologischer Grabenkämpfe. Vom Münchner Malerfürsten des 19. Jahrhunderts Franz von Lenbach, der für seine großen Werken oftmals auf fotografische Vorlagen zurückgriff, ist ein kleinformatiger Entwurf der Kopie eines Gemäldes van Dycks aus dem Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen. In groben Zügen skizziert Lenbach die repräsentative Pose des jungen Prinzen Rupprecht von der Pfalz nach, der durch die schnellen Pinselstriche an Distinktion verliert.
Neben seiner Porträts war Franz von Lenbach für Kopien Alter Meister bekannt und bestückte bekannte Sammlungen wie beispielsweise die Sammlungen Schack und Montgelas. Der noch junge Paul Klee schwärmte bei einem Besuch in der Villa Lenbachs 1901 von „den wunderbaren Kopien an den Wänden“.
Im Gegensatz hierzu folgen die großformatigen Arbeiten von Adrian Sauer eher einer Art philologischem Ansatz. Ihnen zugrunde liegen zwei Schwarzweiß-Fotografien von Walter Peterhans, des Leiters der Fotowerkstatt am Dessauer Bauhaus. Diese dokumentarischen Bilder von Interieurs und -Möbeln „rekonstruiert“ der Künstler in digitaler Bearbeitung, ersetzt nach und nach die ursprüngliche Fotografie und verleiht den Dingen eine farbige Oberfläche, deren Wahl sich auf Beschreibungen von damals stützt. Mehr als eine getreue Rekonstruktion der festgehaltenen Szenerien sind diese Bilder jedoch autonome Werke, die als bewusste zeitgenössische Interpretation mit den Mitteln unserer Tage gerade deshalb den großen Bauhaus-Bildern in besonderer Weise ihre Referenz erweisen.
Der „Orgelpunkt“ von Markus Ebner stellt die vielleicht radikalste Aneignung unter diesen Kopien und Interpretationen dar. Seit fast 10 Jahren widmet sich der Künstler Schlüsselwerken von Günther Fruhtrunk und malt sie minutiös nach. Markus Ebner studierte in der Klasse Fruhtrunks an der Münchner Kunstakademie, in den letzten Jahren des großen konstruktiven Künstlers. Für ihn bedeutet die „Neuherausgabe“ der Werke des alten Meisters auch das Bekenntnis zu der absoluten Moderne und Aktualität dieser Malerei. Mit größter Sorgfalt vertieft sich Ebner in die Bildwelten Fruhtrunks, die nach konventioneller Vorstellung und im Zeitalter der totalen Verfügbarkeit von Abbildungen eigentlich keiner Kopie bedarf. Umso mehr ist seine malerische Arbeit auch eine offen praktizierte Lust am Bild.
Die unterschiedliche Beschäftigung mit den „Alten Meistern“ in dieser Ausstellung ist daher auch, nicht unähnlich wie in Thomas Bernhards Roman, eine Abkehr von den Innovationslogiken des gegenwärtigen Betriebs, und zu dem eine Aufforderung, durch das Nachgestalten das latente Potential von Werken sichtbar zu machen oder neu zur Diskussion zu stellen.
Text: Florian Ebner
If artists for centuries copied works of their famous predecessors, this was intended to approach the prefiguration by adapting or equipping the established composition or pictorial figure with ones own “Maniera”, ones own individual style. In post-modernism suddenly the climate towards copying had changed. Appropriating a work or a style wasoften intended as an attack on the original, as the view had changed from the mastery of a famous work through a criticism on its instrumentalization and commercialization or a genius minded art historiography.
The exhibition “Old Masters” presents three different aspects of appropriation – beyond former ideological trench wars. By 19th century Munich “painter prince” Franz von Lenbach, who often used photographic models for his large portraits, a small-format version of a copy of a painting by van Dyck, Kunsthistorisches Museum, Vienna is shown. Lenbach sketches the prestigious pose of young Prince Rupprecht of Palatinate, losing distinction caused by the quick brushstroke. Additional to his portraits Franz von Lenbach also was known for Old Master copies equipping famous collections such as the collections Schack and Montgelas. Young Paul Klee enthused during a visit to the Villa Lenbach 1901 about “the wonderful copies on the walls”.
On the contrary, large size works by Adrian Sauer pursue a philological approach. They are based on two black and white photographs by Walter Peterhans, head of the workshop for photography at the Bauhaus Dessau. These documentary images of interiors and furniture are “reconstructed” by the artists in digital processing, gradually replacing the original photography and providing a colored surface based on descriptions of that time. But more than a faithful reconstruction of the retained scenery these images are autonomous works which as conscious contemporary interpretations with today’s techniques precisely for this reason pay reference in a particular way to the important Bauhaus images.
„Orgelpunkt“ by Markus Ebner perhaps illustrates the most radical appropriation among these copies and interpretations. For almost 10 years the artist has dedicated himself to key works by Günter Fruhtrunk copying them meticulously. Markus Ebner studied under Günter Fruhrunk at the Münchner Kunstakademie during last years of the great constructive artist. To him the “new edition” of the work by the “old master” signifies the confession to an absolute modernity and topicality of this painting style. With extreme accuracy Ebner delves into Fruhtrunks world of images, which in conventional conception and in an era of total availability of images actually do not need copying. Even more his pictorial work is an outstanding practiced passion on painting.
Therefore, the various engagements with the “Old Masters” in this exhibition is, not unlike as in Thomas Bernhard’s novel, a rejection of innovation logics of the current establishment, and furthermore a request visualizing latent potential of works by adaption or putting up for discussion.
Text by Florian Ebner