Mit der hier präsentierten Arbeit zählt der in Berlin lebende Gosbert Adler (*1956 in Essen) zu jener Gruppe von Fotografen, die in den 1980er Jahren eine ganz andere deutsche Fotografie entwerfen als sie zeitgleich die Düsseldorfer Schule der Distanz und des objektivierten Blicks entwickelt. Vielmehr geht es in dieser Gruppe von Fotografen um Michael Schmidt darum, das Subjektive menschlicher Wahrnehmung und das Apparative des fotografischen Sehens zusammenzudenken. Neben Gosbert Adler und Michael Schmidt sind hier auch Joachim Brohm, Volker Heinze und Paul Graham zu nennen. Die Bedeutung dieser Fotografie war jüngst in den drei Ausstellungen im C/O Berlin, im Sprengel-Museum Hannover und im Museum Folkwang Essen zur „Werkstatt für Fotografie“ wiederzuentdecken, zu deren Protagonisten Gosbert Adler zählte[1].
In den Galerieräumen werden 12 Schwarzweiß-Fotografien aus Gosbert Adlers Serie „SOG“ gezeigt. Dabei handelt es sich um die originalen Abzüge (Vintage Prints) auf Agfa Portriga-Rapid-Papier im Format 120 x 80 cm. Der Werkkomplex aus dem Jahr 1990, der insgesamt 21 Arbeiten umfasst, wurde im selben Jahr im Fotografischen Kabinett des Museums Folkwang Essen in einer monographischen Schau ausgestellt. Adler wandte sich in dieser Zeit, als sich fast alle FotografInnen der Farbe widmeten, wieder zurück zu seiner experimentelleren Praxis der Schwarzweiß-Fotografie, die jedoch weiterhin Aspekte seiner „Anti-Skill-Fotografie“ behielt, die er mit der preisgekrönten Serie „Brot“ (Krupp-Stipendium) über die 1980er Jahre in Farbe und mit Instamatic–Kameras entwickelt hatte.
Auf den Fotografien sind fragmentarisch Details von Baustellen zu erkennen. Dabei ist das Motiv sehr nahe, so dass die aufgenommenen Objekte den Zusammenhang zur Umgebung verlieren. Durch die fotografische und motivische Unschärfe ist ein schnelles Erkennen nicht möglich. Der Ausschnitt aus dem urbanen Raum ist dezidiert als Bild zu sehen, das konkrete Realität und abstrakte Form zusammenführt.
Ute Eskildsen beschrieb die Serie 1990 wie folgt: „Das Sujet der neuen schwarz-weiß Arbeit ist die Straße, der städtische Boden, die Erdarbeit. Der Blick des Fotografen ist nach unten gerichtet – führt uns nicht entlang des sauberen Asphalts, sondern zielt auf Risse, auf Einschnitte, auf provisorische Konstellationen. Undefinierbare Schichten versinken in schwarzen Spalten, Vertiefungen und Löchern. Der Gegenstand verschwindet im Bild. Adlers Bilder lassen das Durchdringen der Oberfläche als eine permanente Anstrengung, aber auch ständiges Scheitern erkennen.“
Gerade heute, im Zeitalter der digital berechneten Bilder, erscheint die Wiederentdeckung von Gosbert Adlers experimenteller und provokanten Praxis in besonderer Weise lohnenswert.
[1]Werkstatt für Photographie 1976-1986, Hrgs. Florian Ebner, Felix Hoffmann, Inka Schube, Thomas Weski, Köln 2016
With the work we present at the gallery Berlin-based Gosbert Adler (b. 1956 in Essen) is among that group of photographers which conceptualized in the 1980ies a completely different German photography than the one, which the Dusseldorf School of distance and objectified gaze developed. Rather, in this group of photographers around Michael Schmidt it is about combining the subjective of human perception and the apparatus of photographic vision. In addition to Gosbert Adler and Michael Schmidt Joachim Brohm, Volker Heinze and Paul Grahamalsohave to be mentioned. The significance of this particular photography was recently rediscovered in three exhibitions “Workshop for Photography” at C/O Berlin, the Sprengel Museum Hannover and Museum Folkwang Essen,including Gosbert Adler as one of the protagonist[1].
At the gallery we show 12 black-white photographs from Gobert Adler’s series “SOG”, original vintage prints on Agfa Portriga Rapid paper in the format of 120 x 80 cm. The work complex from 1990, which in total comprises 21 motives, was exhibited in the same year at the “Photographic Cabinet” of the Museum Folkwang Essen in a solo show.
During the time when almost all photographersworked with color, Adler returned to his experimental practice of black-and-white photography but still retaining aspects of his “anti-skill photography” which he had created with his award-winning series “Brot” (Krupp scholarship) and which he had developed during the 1980s in color and withinstamatic cameras.
The photographs show fragmentary details of construction sites. The subject is focused very close up so that the objects lose the connection to the environment. Due to the photographic and motivic blurring, a quick recognition is not possible. The excerpt from the urban space is decidedly to be seen as an image that brings concrete reality and abstract form together.
Ute Eskildsen described the series in 1990 as follows: “The subject of the new black and white work is the street, the urban ground, the earthworks. The photographer’s gaze is directed downwards – it doesn’t lead us along the clean asphalt, but aims for cracks, incisions, provisional constellations. Undefinable layers sink into black gaps, depressions and holes. The object disappears in the picture. Adler’s pictures show the penetration of the surface as a permanent effort but also a constant failure.”
Especially today, in the age of digitally calculated images, the rediscovery of Gosbert Adler’s experimental and provocative practice seems particularly rewarding.
[1]Werkstatt für Photographie 1976-1986, Hrgs. Florian Ebner, Felix Hoffmann, Inka Schube, Thomas Weski, Köln 2016