JAGODA BEDNARSKY
LAURA SCHAWELKA
GIOVANNI SORTINO
July 13 – August 31, 2013
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Review
Chr. Schütte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, August 16, 2013, p.52
Jagoda Bednarsky
Fotografie und Malerei verbinden sich so geschmeidig wie Öl und Wasser: Überhaupt nicht. Seit den ersten Bemühungen um eine Synthese beider Wirklichkeitsebenen Anfang des 20. Jh. scheitern die meisten Versuche an der Unversöhnlichkeit der manuellen Oberfläche einerseits, und der chemisch bzw. digital geschaffenen andererseits. Und gerade die optische Annäherung beider Medien macht ihre Wesensverschiedenheit nur auffälliger.
Doch statt weiter an der Scheinehe zweier Aggregatzustände zu arbeiten, fügt Jagoda Bednarsky den eigensinnigen Zeichensystemen weitere hinzu, bis die Kakophonie zur Einheit in der Vielfalt wird: Trockene bis samtige, nur sparsam nuancierte Flächen von unbestimmter Tiefe werden von ungebärdigen Gesten aktiviert, transparente und opake Zonen, luzide Gerinnsel und pastose Pinselhiebe von frostiger bis glühender Temperatur umgeben und überlagern Aufnahmen von Yoga-Übungen, deren grober Zuschnitt eine schwarzweiße Schutzzone gegen die Farboffensive bildet.
Die Symmetrie und dezidiert vertikale Ausrichtung der Asanas wird durch ein Gitter aus schmalen Streifen sowie durch die 180° Drehung der Körper betont: Ohne die aufrechte Haltung zu beeinträchtigen, scheint der die Beine nach oben streckende Sportler vom Erdboden gegen eine Decke zu springen, während der ebenfalls um einen geraden Rücken Bemühte wie eine athletische Fledermaus nach unten baumelt.
Die Vielfalt der, je nach Farbauftrag schon mal dreidimensionalen Strukturen sowie der ihnen zugrundeliegenden Motorik – von gleichmäßigem Streichen über schwungvolle Schraffuren bis zu elektrisiertem Zucken – wird stets von einer die Fläche dominierenden Figur zusammen gehalten. Wichtiger als deren Identifikation als Grundriss, Kleidungs-stück und Meerestier ist die De-Kontextualisierung der zugrundeliegenden Fragmente, die ermöglicht, Wiedererkennbares als autonome Gestalten zu erfassen. Die Zusammenstellung der Gemälde folgt dabei dem Prinzip der kuratierten Sammlung, deren unabhängig voneinander konzipierte Bestandteile inhaltliche und formale Wahlverwandtschaften eingehen.
Laura Schawelka
Um sich auf einer Leinwand mit dem spanischen Königspaar selbst darzustellen, malte Velàzquez selbiges im Spiegel – und somit erheblich kleiner als die eigene Gestalt im Vordergrund. Laura Schawelka setzt diese Strategie umgekehrt aber mit ähnlichem Ergebnis ein, wenn sie die Spiegelung ihres Gesichts auf der Abbildung eines Hollywoodstars in einem Schaufenster fotografiert.
Am Beispiel der Präsentation von Waren mittels Fotografie beschäftigt sich Schwalka mit der für erfolgreiche Werbung fundamentale Kunst der Verführung – und deren Scheitern.
Sowohl die notdürftig kaschierte Fortpflanzungssymbolik des Füllfederhalter-Szenarios als auch die barocke Feier der Sinne in Kosmetik- und Süßwarenwerbung zeugen von der Absatz steigernden Wirkung erotischer Signale.
Die Künstlerin lässt keinen Zweifel, dass den unterhalb des Niveaus etablierter Marken mit entsprechendem Werbe-Etat angesiedelten, aus Genussmitteln gebildeten Arrangements, die Überzeugungskraft gelungener Fiktionen fehlt:
Eisbecher und Cocktails zählen die Attribute einer Milchbar der 1950er Jahre und des privaten Swimmingpools – Prestige-Objekt der 60er – auf, ohne eine Atmosphäre zu erzeugen. Ingredienzien und Dekorationen bleiben steril, die Umgebung kulissenhaft. Den Unterschied zwischen unwiderstehlich und verzichtbar, den wir nur dank der Kunstwerken zugestandenen eingehenden Betrachtung erkennen, bleibt beim gewöhnlichen Umgang mit Werbung unterbewusst, und damit wirksam: Die mangelhafte Darbietung preisgünstiger Produkte steigert den Wunsch nach Überwältigungsästhetik und sensibilisiert so für die Raffinesse der Premium-PR.
Wurde das Scheitern des Versuchs, das Lebensgefühl der Cocktailparty oder frugaler Erdverbundenheit zu wecken, im Falle der treuherzigen Getränke-Szenarios noch hervorgehoben, so funktioniert die Strategie des Hervorhebens durch Verschwindenlassen innerhalb der Anzeige für eine Vase: Das zu bewerbende Objekt tritt nahezu vollständig zurück hinter den intensiven Farben und lebhaften Formen der Tulpen sowie der eleganten Monochromie des Ambientes.
Die Gemeinsamkeit der dargestellten Genussmittel und Status-Objekte besteht in ihrer Eigenschaft, die Lebensqualität zu erhöhen. Lebensnotwendig aber sind sie nicht. Diesen potentiell wertmindernden Faktor vergessen zu lassen ist die Existenzgrundlage einer ganzen Industrie, die sich der ‘Kunst des Displays’ verschrieben hat.
Giovanni Sortino
Wie übereinander liegende Glasplatten bestehen Giovanni Sortinos Gemälde aus einzelnen Schichten, die nur Teile der tiefer liegenden erkennen lassen. Die Betrachtung der Palimpseste sensibilisiert unwillkürlich die Wahrnehmung, denn das Erfassen tieferer Ebenen erfordert die Lenkung des Blicks durch die im Vordergrund agierende Zeichnung hindurch in schleierhaft sich verdichtende und wieder lösende Zonen.
Hat man die übereinander gestaffelten, mal satten, mal sparsamen Farbflächen als zeitlich einander folgende Zustände des Bildes identifiziert, werden auch die kleinteiligen Strukturen an der Oberfläche als Durchblicke innerhalb dieser Lagen erkennbar: Das Entfernen, Auflösen und Abschaben der Farbe lässt darunter Verborgene in neuer Nuancierung zutage treten.
Ausgangspunkt des wiederholten Auftragens und Zurücknehmens von Materie sind Erinnerungen an FreundInnen, die Farben und Art und Anzahl der sich überlagernden Schichten bestimmen. Um zu visualisieren, dass diese ‘Porträts im Rückspiegel’ stets in aus der Vergangenheit gespeisten Vorstellungen gründen, lässt Sortino durch nachträgliches Glätten und Aufrauen der Schichten deren Entstehungsprozess hervortreten. Das Ergebnis ist ein Blick in die Geschichte der Oberfläche – ähnlich wie der Gedanke an die Person weniger ihr gegenwärtiges, als vielmehr ihre bisheriges Sein erfasst. Das Rückgängigmachen präziser Konturen und Flächen verleiht dem Eindeutigen die Körperlosigkeit der durch zeitlichen Abstand schleierhaften Gedächtnisbilder. Das Entfernen des vorübergehend Konkreten zugunsten einer Art Nachbild ersetzt Ähnlichkeit durch Äquivalent, mimetische durch gefühlte Entsprechung.
So lässt die Reduktion vordergründiger Details weniger eindeutige Aspekte der Person hervortreten. Nervosität und Ruhe, Konzentration und Zerstreuung, Intro- und Extroversion, Verschlossen- und Offenheit, Unbeständigkeit und Stabilität sowie optische Gewichte und Temperaturen evozieren Wesen hinter ihrer Erscheinung – ganz im Sinne der von Klees Maxime ‘nicht nach, sondern wie die Natur.’
Jagoda Bednarsky
Photography and painting coalesce as fluently as oil and water – none at all, that is. Since first attempts to unify both dimensions of reality at the beginning of the 20th century most endeavours have failed due to the incompatibility between the manual surface on one hand and the chemically, resp. digitally created one on the other. Any visual approximation makes their contraction still more salient.
Instead of continuing to pursue the unification of different aggregate states, Bednarsky adds additional voices until cacophony turns into a unified variety.
Velvet, hardly nuanced planes of indeterminate depth are activated by unruly gesture. Transparent and opaque areas of glacial and fiery temperatures encompass and overlap pictures of yoga-postures, whose black and white surroundings create a buffer zone against charging colors.
The asanas’ symmetry and explicitly vertical direction is reinforced by superimposed grids, along with the upside-down-turn of the bodies, having one athlete jump against the ceiling while another one is dangling downward like a beefy bat.
The variety of the sometimes almost sculptural structures along with their underlying motivity, ranging from steady strokes to sweeping hatchings and electrified twitches, remains consolidated by one dominating figure.
But more important than affiliating the latter to some floor plan, garment or marine creature is the decontextualizing of the elements which makes it possible to conceive representational forms as autonomous shapes.
The compilation of the individual paintings corresponds to the concept of a curated collection, meaning a gathering of independent constituents entering in different relationships.
Laura Schawelka
In order to depict himself on one and the same canvas as the King of Spain, Velàzquez had the royal couple appear in a mirror, thereby rendering them considerably smaller than his own frame in the foreground. Laura Schawelka applies this strategy the other way round but to a similar effect by photographing the reflection of her face on the picture of a film star in a shop window.
Using the example of the presentation of consumer goods through photography, Schawelka deals with the art of seduction – so essential for efficient advertising – and with its failure.
The poorly masked symbolism of sexual reproduction, which determines the window dressing, as well as the celebration of the senses heralded by ads for cosmetics and sweets, bear witness to the money spinning capacity of erotic signals.
The artist leaves no doubt that the succeeding arrangements, featuring semi-luxury foods, lack the cogency of successful fiction. Sundaes and cocktails evoke features of 1960ies flagships like the milk bar and the private swimming pool, without unifying these separate attribute in favour of a coherent atmosphere.
Ingredients and decoration remain sterile within a pathetic setting. This difference between irresistible and dispensable, which is discerned due to our in-depth observation usually granted to art works only, remains subconscious when being confronted with commercials in daily life – what makes it all the more potent. The faulty presentation of budget products increases the desire for magnificent scenarios, thus setting the stage for premium promotion.
Having emphasised the failure of these attempts to conjure up the feel of cocktail-parties or organic farming, the following advert of a translucent vase does the trick by applying the tried and tested practice of highlighting through disappearing: the object in question almost vanishes behind the vivid shapes of a bunch of flowers and the bright paleness of its environment, this way appearing all the more alluring.
The similarity of all those articles consists in their ability to increase the quality of living without being actually necessary. To make this – economically detrimental – factor fall into oblivion is the main mission of a whole industry dedicated to the ‘art of the display’.
Giovanni Sortino
Like panes of glass superimposed upon each other, Giovanni Sortino’s paintings consist of various layers, partly opening up to those underlying them. Looking at these palimpsests raises our awareness for subtle stimuli, for paying attention to deeper levels requires us to direct our gaze past the markings in the foreground on to hazy zones that seem to coalesce and dissolve rhythmically.
Colour, mode and number of these layers are determined by recollections of the artist’s friends. In order to visualise the fact that these ‘effigies in rear-view mirror’ are generally based on conceptions rooted in the past, Sortino unveils their genesis by means of subsequent smoothing and roughening the image’s surface. The result is a glance into its history – just as thinking of a person concerns their former rather than their present existence.
Undoing precise shapes and clear colours lends an etherial air to what has been concrete – a visual analogy of remembered images becoming blurry with the passing of time.
This removal of the temporarily tangible in favour of a kind of afterimage transforms likeness into equivalents, paralleling their subject in a rather psychological than visible manner. Hence the reduction of ostensible detail brings the subject’s less conspicuous aspects to the fore. Tension and calm, concentration and absence of mind, intro- and extroversion, tightness and openness, volatility and consistency, along with optical weights and temperatures evoke beings behind their appearance – just along the lines of Klee’s wish to ‘work like nature, instead of just looking like it’.