Wer im Dunkeln arbeitet, kann sich im Hellen wundern.
So beschreibt Schücke die Restrisikien deranalogen Fotografie. Die auf Bretter statt Papier belichteten Architektur-Fotos verstärken die Verschiebung desFokus vom Gemachten auf das Machende. Denn dank der dominanten Struktur des Bildträgers sind dieLichtbilder oft kaum noch als Abbildungen zu erkennen. Dafür verschafft ihnen die Kombination von Silbergelatine auf Holz den Reiz des Neuen und ermöglicht so eine weniger konditionierte Wahrnehmung als es wieder erkennbare Motive vermögen.
Topoi wie die Architektur-Moderne der DDR werden überlagert von den Eigenschaften der Fotografien.
Bis zur Unkenntlichkeit fragmentierte und strukturierte Bildreste hindern den gewohnten Durch-Blick auf die hinter dem Motiv erwartete Geschichte und lassen uns die Oberfläche zur Kenntnis nehmen, wo die Beschaffenheit von Textur und Farbe hervor tritt. Diese Form erweitert den Inhalt der Fotografien.
Triple: The Crazy Barbarian Couple knüpft an vorhergehende Werkgruppen an. Von den Cowboys, die Schücke in Ihren Collagen mit den Titel „To Really Live You Must Almost Die“ durch Ostdeutsche Wohnsiedlungen reiten ließ, ist eine an klassische Western erinnernde Schwingtür geblieben. Auf diesem Träger finden sich aktuelle Aufnahmen von Gebäuden der DDR aus den 1960er Jahren, ein Fernsehpavillon, eine Mehrzweckhalle und drei Gebäude eines repräsentativen Ensembles, die teils infolge von Fragmentierung, teils durch die optischeDominanz der Holzstruktur weniger als konkrete Gebäude denn als deren Abstraktion erscheinen. So begegnen sich in der Schwingtür – einer Synthese aus Offen- und Verschlossenheit – die Hemisphären, ohne sich zuberühren.
Der dreimalige Aufbau dieser Eingangssituation wirkt wie eine Betonung, die Schlendernde zum Schreiten auffordert. Dem Ein- oder Austreten wird Aufmerksamkeit zuteil – das beiläufige Aufstoßen zum Ritual, zum Rite de Passage.
Nie wirklich zu, nie wirklich auf, hat die Schwingtür nichts vom mal abweisenden, mal einladenden Charakter von Pforten, Portalen oder Luken. Stattdessen wählt Schücke diese merkwürdig ambivalente Vorform der Drehtür, die die Grenze zwischen innen und außen eher symbolisch markiert.
Im Western der 1950er und 60er Jahre rückt die Schwingtür in dem Moment ins Bild, da der Fremde den Raum der Gemeinschaft betritt und eine Änderung der herrschenden Situation bewirkt. Fast geräuschlos, erfordert dieser Eintritt ins Geschehen keinerlei physische Anstrengung. Und auch in entgegen gesetzter Richtung, wenn etwa Unglücksraben schwungvoll nach draußen befördert werden, bieten die gelenkigen Türhälften keinen Widerstand, und verdeutlichen dennoch den endgültigen Ausschluss des Individuums von der Gruppe.
In diesem Durchgangsritual erfahren wir unseren eigenen Umgang mit Bildern. Auch beim Betrachten gleiten wirebenso geschmeidig direkt in die abgebildete Geschichte, ohne uns des Fotos als Medium bewusst zu werden.
Diese Gutgläubigkeit macht uns zu leicht zu beeindruckenden Bildverwertern, die erst allzu extreme Darstellungen von „Natur“, wie etwa die der Bodybuilderinnen, augenfälligster Bestandteil der Collagen mit dem Titel Tunneln, an deren Authentizität zweifeln lassen.
Schückes Interesse am medienspezifischen Eigensinn von Fotografie tritt auch hier hervor. Durch das wiederholte Reproduzieren einer Reproduktion der Reproduktion der Reproduktion im Fotolabor entsteht eine Struktur auf dem Papier. Dabei ist das Bild vom Bild vom Bild usw. nicht einfach Kopie des Ursprungs, sondern erhält durch die sich anhäufenden Spuren eine eigene Identität. Walther Benjamin beschreibt diesen Hergang 1935 in seiner Kleinen Geschichte der Photographie theoretisch so: die ersten Fotografien zeichneten sich, gerade weil sie technisch nicht perfekt waren, dadurch aus, dass „(…) sie (die Objekte) während der langen Dauer dieser Aufnahmen gleichsam in das Bild hinein wuchsen und so in den entscheidenden Kontrast zu den Erscheinungen auf einer Momentaufnahme traten.“ Die so entstehende Entfernung vom Ausgangsbild vergleicht Schücke mit dem Graben eines Tunnels – eine Metapher, deren visuelle Form in Gestalt konzentrischer Formenauf diesen Collagen als Bildräume für die bizarr trainierten Körper wiederkehrt.
Das Zusammengesetzte der Collagen wird durch Hervorhebung der Brüche betont. Sämtliche Strategien machen selbstverständliche Inhalte fragwürdig, übersehene Formen sichtbar, und den unmerklichen Eintritt in die Bilderwelt fühlbar, müssen wir die bildhafte Tür doch selbst öffnen, um den Raum hinter der Geschichte zu betreten.