Im Vorfeld der olympischen Spiele von 1972 realisierte Günter Fruhtrunk in der Münchner Herzogspitalstraße ein Kunst-am-Bau-Projekt, das zugleich als Lüftungsschacht der darunterliegenden Tiefgarage diente. Auf diese Arbeit bezieht sich der Ausstellungstitel von Markus Ebner.
Heute stellt sich die Frage nach einer Weiterentwicklung der Konkreten Kunst im Zeitalter obligatorischen Frohsinns – Postmoderne –, die mit den Achtzigern begann. Um die rigorose Malerei der 1970er Jahre weiterzudenken in einer Ära, die die eben noch ernst gemeinten Kategorien und Urteile lächelnd zur Kenntnis nimmt und in Anführungszeichen setzt, schickt der Titel der Ausstellung die sich überaus ernst nehmende Konzept-Kunst ins Ferienlager einer Generationen, der nichts mehr heilig ist.
Von daher ist in diesem „Club Med(iumspecificity)“ der frühen 80er Jahre Konzeptkunst auch die im Titel enthaltene Tautologie keine mehr. Einst schien Malerei aus Sicht der Konzeptkunst der Inbegriff des Formalistischen, Warenförmigen und sonstiger Geißeln der Kunstwelt. Im post-strukturalistischen Tauwetter aber, als spätestens ab den frühen 1980er Jahre die Grenzen durchlässig wurden und unversöhnliche Dichotomien wie retinal, zerebral und wie sie alle hießen, einander näher kamen, entwickelte die Konzept-Kunst neue Wege sinnlichen Schaffens unter diskursiven Vorzeichen.
Dieses Angebot ästhetischer Reize ohne Hintergedanken hatte sich jahrzehntelang des Verdachts des Gefälligen zu erwehren. Denn in den kulturellen Hegemonialstaaten war Schönheit so dermaßen und nachhaltig in Ungnade gefallen, dass die Massen- und Unterhaltungsmedien sich ihrer umso effizienter annahmen, kurz: monopolisierten. Eben dort, in Gebrauchsgrafik und Produkt-Design nämlich, kommt Ebners Farbgebung zum Einsatz – allerdings in dekorativer Funktion zwecks Lenkung der Aufmerksamkeit. Und eben dort nicht, sondern vielmehr in autonomer Malerei gibt Markus Ebner ihr die Freiheit zurück, entlässt die pulsierenden Energieleitungen aus ihrem Dienst am Hirn, dem sie so dezent wie eindringlich Botschaften vermitteln, und gestattet ihnen, sie selbst zu sein: Flächen die sich ausdehnen und zusammenziehen, nähern und entfernen, deren unverminderte Präsenz Assoziationen zu Klängen und anderen Sinnesempfindungen auslöst.
Die horizontale Schichtung duldet keine Unaufmerksamkeit: Weder Unterbrechungen noch Details ziehen den Blick auf sich. Keine Diagonalen suggerieren Auf und Ab, Steigen oder Fallen; keine Verdichtungen und Lichtungen erinnern an Körper und Energie, kein Teil des Bildes streckt die Fühler ins nichtgemalte Umfeld. In metaphernfreier Zone und ungehindert von semantischen Angeboten gewinnt das Schauen einen Teil seiner Unschuld zurück. Es geht also doch, dieses Rückgängigmachen geschaffener Tatsachen. Die individuell und kulturell erzeugte Kruste aus Assoziationen, die den Blick auf die Farbe verstellt, gibt nun die Sicht frei auf deren gegenseitige Beeinflussung, auf den Wechsel von samtiger Mattierung und seidigem Glanz, auf die bezwungene Turbulenz unter der beruhigten Textur.
Das Streben nach maximaler Homogenität der Oberfläche hat zunächst ähnlich große Aussicht auf Erfolg wie das Bemühen um die Quadratur des Kreises: Schließlich ist jede malerische Handlung unwiederholbar, jede Spur bleibt sichtbar; Gleichförmigkeit lässt sich nur mechanisch erzeugen. Und tatsächlich offenbart sich dieses Malerische bei genauerer Betrachtung: Das Gewachsene im Geschaffenen, das graduell Entstandene unter der glatten Vollendung. So sieht Malerei unter besonderer Nichtachtung individueller Motorik aus.
Das Erkennen dieser Stimmigkeit verlangt die Wahrnehmung dessen, was Josef Albers Interaction of Color nannte. Denn als er Farbe als ‘relativsten Bestandteil von Malerei’ bezeichnete, bezog er sich auf die Unmöglichkeit, ‘reine’ Farben aus ihrer Umwelt zu lösen.
Ähnliches gilt auch für die Form, deren Subjektivität die waagerechten und somit neutralen Streifen zu vollem Bewusstsein bringen. Die Überschaubarkeit der gleichmäßig übereinander gelagerten Zonen birgt weder Geheimnis noch Überraschung und macht daher ihre Verzerrung durch auch nur geringfügige Positionsänderungen der Betrachtenden umso augenfälliger.
Trotz der Vehemenz der zu voller Leuchtkraft getriebenen Streifen bleibt ihr Zusammenklang ein eben solcher: Ruhige Vibration statt Crescendo, und somit die malerische Umsetzung der Idee, dass die Kraft in der Ruhe liege – oder in der Herzogspitalstraße, falls sich dort jemand die Mühe machen sollte, Ideen vergangener Jahrzehnte aufzugreifen statt weitere Räder zu erfinden.
Prior to the Olympic Games in 1972 Günter Fruhtrunk realized an ‘art-in-architecture-project’ at Herzogspitalstraße in Munich that equally served as a vent shaft of the car garage beneath.
The title of Markus Ebner show refers to this work. Given the unabated allure of painting, these days the question arises as to the further development of concrete art in the age of mandatory cheerfulness, called postmodernism, which is said to have kicked off in those “early eighties”.
In order to advance this rigorous approach of the 1970s into an era that would acknowledge all categories and judgements with a benevolent smile, safely putting them in quotation marks, Markus Ebner’s opening paragraph sends the utterly serious concept art off to the holiday camp of a generation who generally did away with seriousness.
In this “Club Med(iumspecificity) even the tautology contained in the title ceases to be one. From conceptual art’s point of view painting was once the epitome of everything formalistic, commercial and whatever scourges of the art world might be lurking. During the post-structuralist thaw however, when from the “early eighties” onwards borders became porous, and once irreconcilable dichotomies like retinal, cerebral and so on drew nearer, conceptual art started developing new ways of working aesthetically within a discursive realm.
For decades those offerings of aesthetic stimuli freed of any ulterior motives had to struggle against being mistaken for decoration. Within the range of the culturally hegemonial states, beauty had fallen so thoroughly from grace that the mass media was able to attend to it all the more efficiently – even monopolize it.
Right there in advertising and product design Markus Ebner’s palette is applied, even though as mere decoration with the purpose of directing attention. And precisely not there, rather within autonomous painting, Ebner returns freedom to those functionalized colors by releasing throbbing powerlines from their service to the brain, to which they had been busy transferring messages subtly and insistently, and allows them to be themselves: planes that expand and contract, approach and recede, and whose intense presence triggers associations to sound and other sensory perceptions.
The horizontal layering won’t brook any inattentiveness. Neither interruptions nor details distract the eye. No diagonals suggest up and down, rising or falling; no densifications and openings are reminiscent of bodies or energy, no part of the whole puts out its antennae into unpainted surroundings. Within a zone devoid of all metaphors and unfettered by semantic proposals, vision recovers some of its innocence. Hence it obviously does work, the frequently doubted reversal of the damage done. The individually and culturally developed crust of associations blocking the colors now unveils their mutual influence, the change from satin finish to silky sheen and the subdued turbulence beneath smoothed textures.
To begin with, striving for the surface’s homogeneity has as little chance of success as the endeavour to square the circle. After all in painting each act is unrepeatable, every trace remains visible; uniformity is achieved only by mechanical means. And this unique selling point of painting does reveal itself to close inspection: the grown thing within the created one, the gradually emerged structure under sleek perfection. That’s what painting looks like when spontaneous gesturing is studiously avoided.
Recognition of this consistency requires an alertness for what Josef Albers used to call Interaction of Color. For deeming color the “painting’s most relative element”, he was relating to the impossibility to isolate ‘pure’ color from its ‘environment’.
Something similar applies to form, the subjectivity of which is highlighted by level and hence neutral streaks. The clarity of the evenly stratified zones contains neither secrets nor surprises, which renders their distortion due to only the slightest movement of the observer all the more striking.
Despite the vehemence of these strips pushed to ultimate luminosity their consonance remains just that: a calm vibration instead of a jarring crescendo, and as a consequence the pictorial realization of the concept that there is strength within calmness – or within Herzogspitalstrasse, in case somebody should bother to seize on ideas of past decades instead of inventing additional wheels.